Was genau ist NIS2 und was bedeutet die Richtlinie für Unternehmen?
Derzeit ist die NIS2-Richtlinie, die am 27. Dezember 2022 veröffentlicht wurde, in aller Munde. Nicht ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo ein Webinar oder ein neuer Beitrag zu diesem Thema veröffentlicht wird. Doch was steckt hinter dieser Richtlinie? Sie bringt teilweise sehr tiefgreifende Änderungen in die Cybersicherheitsanforderungen der EU. Bis Oktober 2024 müssen die Mitgliedstaaten diese Richtlinie in nationales Recht umsetzen, was bedeutet, dass Unternehmen in vielen Sektoren – von Energie und Gesundheitswesen bis zur digitalen Infrastruktur – jetzt handeln müssen. Doch was bedeutet das konkret für Unternehmen, und in welchen Situationen sollten sie dringend reagieren?
Pflicht zur Registrierung und Überwachung
Unternehmen, die zu den betroffenen Sektoren zählen, wie zum Beispiel Energieversorger, Gesundheitsdienstleister oder Betreiber digitaler Infrastrukturen, sind nun verpflichtet, sich bei den nationalen Aufsichtsbehörden zu registrieren. Diese Registrierung ist ein essenzieller Schritt, um sicherzustellen, dass die Behörden wissen, welche Unternehmen unter die NIS2-Richtlinie fallen. Diese Unternehmen müssen ihre kritischen Komponenten melden, die für ihre Dienstleistungen essentiell sind, sowie sicherstellen, dass ihre Systeme und Prozesse den Anforderungen der Richtlinie entsprechen.
„Stand der Technik“ – was bedeutet das?
Ein oft missverstandener Begriff im Rahmen der NIS2-Richtlinie ist der sogenannte „Stand der Technik“. Dieser juristische Ausdruck beschreibt den aktuellen Entwicklungsstand von Technologien, Verfahren und Maßnahmen, die für den Schutz von IT-Systemen als sicher und angemessen angesehen werden. Der „Stand der Technik“ ist nicht statisch, sondern entwickelt sich ständig weiter, da Technologien und Bedrohungsszenarien immer komplexer werden.
Ein praktisches Beispiel: Was heute als „sicher“ gilt, kann in wenigen Monaten veraltet sein. Nehmen wir die Verschlüsselungstechnologien. Eine bestimmte Verschlüsselungsmethode mag heute als sicher gelten, aber wenn in naher Zukunft neue Angriffsmethoden entwickelt werden, kann dieselbe Methode morgen bereits überholt sein. Unternehmen müssen daher regelmäßig prüfen, ob ihre Sicherheitsmaßnahmen noch dem Stand der Technik entsprechen und gegebenenfalls auf neue Technologien umstellen. In einigen Fällen kann von betroffenen Unternehmen auch erwartet werden, dass sie hohe Aufwände betreiben – damit sind dann komplexe technische Anpassungen gemeint, welche bisher vielleicht eher als “nice to have” galten.
Konkrete Pflichten für Unternehmen
Neben der Registrierung und der Einführung von Überwachungssystemen gibt es noch weitere zentrale Anforderungen:
- Meldung von Angriffen und Vorfällen: Unternehmen müssen bei erheblichen Sicherheitsvorfällen ein mehrstufiges Meldeverfahren einhalten. Sie müssen die Aufsichtsbehörden informieren, sobald ein Vorfall eintritt.
- Lieferanten-Management: Auch Zulieferer und Drittanbieter müssen den Anforderungen entsprechen. Unternehmen sind verantwortlich dafür, dass die Sicherheitsstandards in der gesamten Lieferkette eingehalten werden.
Fallbeispiel 1: Ein Energieversorger mit alten Systemen
Ein regionaler Energieversorger arbeitet seit Jahren mit denselben IT-Systemen, ohne regelmäßig in Cybersicherheits-Updates zu investieren. Mit der NIS2-Richtlinie wird dieses Unternehmen nun verpflichtet, den Stand der Technik umzusetzen. Das bedeutet, dass alte Sicherheitslücken, die schon lange bestehen, dringend geschlossen werden müssen. Ein erfolgreicher Cyberangriff könnte die gesamte Stromversorgung der Region gefährden. Deshalb muss das Unternehmen eine umfassende Risikobewertung vornehmen und moderne Angriffserkennungssysteme implementieren.
Fallbeispiel 2: Ein Software-Anbieter mit einer komplexen Lieferkette
Ein IT-Unternehmen, das Software für Finanzdienstleister entwickelt, bezieht viele Teile seines Produkts von Drittanbietern. Die NIS2 betont die Bedeutung des Lieferanten-Managements. Das IT-Unternehmen muss nun sicherstellen, dass alle Zulieferer ebenfalls den neuen Sicherheitsanforderungen gerecht werden, da sonst ein einziger unsicherer Zulieferer die gesamte Kette gefährden könnte. Besonders wichtig ist es, dass vertragliche Regelwerke implementiert werden, die diese Anforderungen verbindlich machen.
Persönliche Haftung und hohe Sanktionen
Die NIS2 bringt noch eine entscheidende Neuerung mit sich: Geschäftsleiter tragen persönlich Verantwortung für die Cybersicherheitsmaßnahmen ihres Unternehmens. Verstöße gegen die Richtlinie können zu empfindlichen Strafen führen. Schulungen und regelmäßige Sicherheitsaudits sollten daher fester Bestandteil der Unternehmensführung werden.
Fazit: Vorsicht ist besser als Nachsicht
Unternehmen dürfen die Umsetzung der NIS2 nicht auf die lange Bank schieben. Die neuen Anforderungen zielen darauf ab, Cybersicherheitsstandards auf ein neues Level zu heben – und das ist dringend notwendig. Ein proaktiver Ansatz hilft, schwere Vorfälle zu verhindern und die Sicherheit nachhaltig zu stärken.
Sind Ihre Cybersicherheitsstrategien bereits auf die NIS2 vorbereitet oder müssen Sie noch handeln?